Ein Ausflug in die Politik
Während des Studiums in den 60ern waren Sprüche wie: "Macht kaputt, was euch kaputt macht", -und "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren"- der Ausdruck der Unzufriedenheit mit der alten CDU Regierungspartei, die zunehmend an der Jugend vorbei regierte. Willi Brand wollte damit aufräumen und versprach den Studenten Besserung bei seiner Wahl zum Bundeskanzler. Die SPD hatte aus diesen Gründen einen riesigen Zulauf in dieser Zeit. Auch ich empfand das innerlich so und sympathisierte mit dieser Partei. Im Ortsverband gab es viele Gleichgesinnte, die in einer ungewöhnlichen Aufbruchstimmung waren. Die Mädchen waren meistens frei und nicht verklemmt wie die bürgerlichen Töchter der CDU´-ler. Ich klebte Plakate und hörte Vorträge von Intellektuellen, die sich scharenweise um Willi Brand versammelten wie Böll und Grass. Meinem Vater war es nicht verborgen geblieben, dass ich das „Rote Mitgliederbuch“ erwerben wollte. Er erzählte mir aus der Nazizeit, als man zum Studium das Parteibuch brauchte, und man nach dem Krieg dafür entnazifiziert wurde. Dann kam noch der Spruch: „Wer mit 18 nicht SPD Mitglied ist, hat kein Herz, und wer mit 35 Jahren immer noch SPD wählt, ist nichts geworden. Damit war für mich auch das Thema SPD Mitgliedschaft vorerst beendet.
Nach dem Studium kreisten meine Interessen erst mal um Beruf, Familie und Wohnung. In den Büros der Betriebe, wo ich arbeitete, war die SPD das Dauerthema schlechthin. Inzwischen hatte sich auch meine Meinung zu den Themen Soziales, Arbeit und Leistung geändert. Bedingungsloses Grundeinkommen und die sich abzeichnende Generation der „Berufs-Dauerarbeitslosen“ haben mich an den ewigen und einzigen Parolen der Linksparteien zweifeln lassen. Mit Eintritt in den Frühruhestand hatte ich die Zeit und Freiheit mal Ordnung in mein politisches Denken zu bringen. Mein langjähriger Freund und glühender „Linksfanatiker“ Frank (ein Linksblinker und Rechtsabbieger) provozierte mich mit den Sätzen: „Dann geh doch in deine CDU!“- Wieder kamen die Sätze meines Vaters in Erinnerung: „Fass kein Parteibuch an!“- 2003 tat ich es dann doch und wurde CDU-Mitglied 1212-095475. Eigentlich waren mir die Leute dort sehr sympathisch und mit mir auf gleicher politischer Wellenlänge. Ich war schnell im örtlichen Vorstand und Wahlhelfer bei Bundes- und Landtagswahlen. Mit lokalen Politgrößen, die mal im Bundestag waren, besuchte ich Altersheime, und im Straßenwahlkampf machte mir der Kontakt zum Wahlvolk sichtlich Spaß. Je weiter ich jedoch in die Partei hinein schaute, umso mehr kamen mir Zweifel, warum so mancher dort mitmachte. Auch das Geschachere um Pöstchen in Aufsichtsräten und politischen Ämtern wurde mir mit der Zeit erst klar. Interessenvertreter von Kirchen und Verbänden tauchten auf, und man musste genau hinhören um festzustellen, auf welchem Gaul sie saßen. Aus diesen Ecken flossen dann auch die Parteispenden. Bei einer der Vorstandssitzungen forderte dann ein bekannter Kirchenlobbyist, städtische Arbeiten aus dem Kirchenbereich im Rat zu beschließen. Entsetzt fragte ich meinen Nachbarn, den ich aus meiner Imker-zeit kannte, was dem denn wohl einfiele. Der sei doch im Kirchenvorstand, zischte er leise vor sich hin und hätte da sicher einen Auftrag bekommen. Ich atmete schwer vor mich hin und hatte jetzt genug von den Dingen,die ich in der letzten Zeit gesehen hatte. Noch am gleichen Abend habe ich eine Austrittserklärung nach Mettmann geschickt und mich über die Zustände in der Partei beschwert. In scharfer Form habe ich den Lobbyismus und die Kumpanei mit der Stadtverwaltung, die die Parteien ja eigentlich im Auftrag der Bürger beaufsichtigen soll, angeprangert. Mein Freund Frank, der mich grinsend in die Politik geschickt hatte, witzelte nach zwei Jahren über meine CDU-Zeit und behauptete, dass ich immer noch ein ruhendes Mitglied wäre. Also rief ich wieder in Mettmann an und bekam seine Befürchtungen bestätigt. Ich forderte ein Antwortschreiben auf meine anklagenden Vorwürfe. Natürlich habe ich diese bis heute nicht erhalten.