Die Neunziger bei BAYER - Bulli´s Hompage 2015

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Die 90er fingen genau so an, wie die 80er geendet hatten… Mit Stress.
Kurze Zeit nach dem Antwerpenprojekt war man wieder am alten Standort. Zum Jahreswechsel 91/92 kam auch schon der nächste Katastropheneinsatz. Ein Betrieb, der ein Mittel zur Behandlung  krebskranker Kinder von Chernobyl produzierte, war abgebrannt. Wochenlang wollte man den kaputten Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen einfach nur abreißen, doch dann hat sich eine Gruppe von behandelnden Ärzten gemeldet, die aus ethischen Gründen die sofortige Weiterlieferung der Medikamente verlangte. Wieder musste ich „Feuerwehr spielen“ und mit Werkstattpersonal und Fremdfirmen alles neu verdrahten und die Produktion innerhalb von einem Monat wieder zum Laufen bringen. Der Tag hatte damals 24 Stunden… man konnte ja auch die Nacht noch zu Hilfe nehmen. Wir leitenden Ingenieure bekamen das von unserer Werksleitung in solchen Situationen mit leichtem Lächeln immer wieder zu hören. Sie kannten ja unsere (guten) Gehälter und Verträge in denen so Sätze standen: „Alle aufgetragenen Arbeiten sind zu erledigen, und mit dem Gehalt abgegolten.“

Zeitgleich hatte ich noch 3 Studienabgänger zu betreuen, die man nicht alleine laufen lassen konnte, ohne dass Schlimmes passieren konnte. Die FH-Ingenieure mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Vorstellungen vom Job, klebten mir förmlich an den Hacken und fragten mir „Löcher in den Bauch“.  Nach ein paar Wochen habe ich sie dann mit kleinen Aufgaben alleine laufen lassen. Vor Ort passten die Meister genau auf, dass nichts falsch gemacht wurde, das betrachteten sie auch als ihre Aufgabe, es diente ja der Sicherheit und war auch gut so. Ich kann mich an viele Situationen erinnern, wo die jungen Kollegen verzweifelt waren, nachdem sie auf der Baustelle mit ihren Unterlagen von den Meistern mal so richtig „ab gewatscht“ wurden. Nach Studienabschluß kann man eben im praktischen Bereich noch recht wenig. Als ehemaliger FH-Assi, der die angehenden Ingenieure im Labor betreut hatte, war mir das klar, und offen gesagt hatte ich auch manchmal Mitleid mit den Anfängern, war es mir doch ähnlich ergangen.


Das Jahrzehnt der Visionen
Mitte der 90ger Jahre verkündedte man ein generelles Umdenken in der Unternehmenskultur im Pharmabereich.
Mann wollte sich und das Personal auf das Jahr 2010 vorbereiten, um dem wachsenden Konkurenzdruck was
entgegen setzen zu können. Seminar über Seminar wurde abgehalten, und das durch alle Personalebenen.
Unsere Meinung "wir sind eine BAYER-Familie und tuen alles für unser Unternehmen " wurde ersetzt durch:
"Jeder Mitarbeiter ist ersetzbar" und "Es wird Gewinner und Verliehrer geben". Zudem hatten alle Führungskräfte ihre
10 Prinzipien eingerahmt an der Wand hängen. Es hatte schon etwas sektenhaftes an sich, das ich aus meiner Zeit
bei einem amerikanischen Unternehmen kannte. Die Mehrheit der Kollegen hatte sehr schnell raus, dass das ein
großer Unfug war. Nachdem der Hauptverfechter dieser Aktionen das Unternehmen verlassen hatte, war dieser
Spuk auch schnell vergessen.


Das Ende der Abteilungsväter
Die betriebsbetreuenden Fachabteilungen hatten eine lange Tradition, und waren ursprünglich streng hierarchisch nahezu beamtenmäßig, patriarchisch  geordnet. Die dazugehörenden abteilungseigenen Ingenieure, Meister und Handwerker betreuten die Bertriebe und anfallenden Neubauprojekte, sie machten das eigentlich anstrengende Tagesgeschäft. Mit zunehmender Automatisierung der Produktion wurde die direkte Zuordnung der Fachingenieure zu ihren Auftragsgebern mit ihren Absprachen und Wünschen immer wichtiger, denn gut geführte Betriebe waren immer am Puls der Zeit und an technischer Aufrüstung interessiert. Ab Ende der 80er Jahre wurden vermehrt die größeren Neubauprojekte den Fachdirektoren direkt unterstellt. Diese wurden mit erfahrenen Praktiken der ehemaligen Fachabteilung zusammengestellt, die dann auch die erforderlichen externen Ingenieurbüros führten. Eine hierarchische Führungsebene, so als technologische Klammer, brauchte man nicht mehr, die kamen ja auch bei der rasanten technischen Entwicklung nicht mit, und wirkten mit ihren antiquierten Vorschlägen teilweise ein wenig überflüssig. Viele dem Hierarchiedenken noch verhafteten und verbliebenen Altvorgesetzten in ihren Büros, beschäftigten sich immer noch lieber mit Personalintrigen und Machterhalt, als mit verwertbarer Arbeit. Und so war das Ende der Fachabteilungen besiegelt. Die "Alten" gingen in Pension, die Immer in den Betrieben gearbeitet hatten, saßen jetzt in den Betrieben, und der noch "verwertbare Rest" wurde als Zuarbeiter in die laufenden Projekte konzernweit versetzt. Mit dem Stühlerücken kam für viele ein bitteres Ende.....

 
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