Kupferhütte Duisburg - Bulli´s Hompage 2015

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Die Duisburger Kupferhütte war ein Unternehmen der I.G. Farbenindustrie AG bis 1945, und hatte mal bis zu 4000 Mitarbeiter. BAYER, BASF und HÖCHST waren die Haupteigentümer. Sie war 150 Jahre Entsorgungsbetrieb für die Nebenprodukte der Schwefelsäureherstellung der Eigner. Durch die Gewinnung von Schwefel aus Erdgas brach die Rohstoffbasis weg, was zu einer Auflösung der Firma 1978 führte. Ich habe mich mit der Erneuerung Von Energie- und Steuerungstechnik im Neubaubereich beschäftigt. Meine 1.Arbeit war die Erneuerung des Zinkwerks Bild 12-15.

Der Neuanfang in dieser Firma war ein Schock…
Meine ersten Eindrücke von einer Firma, die noch stark durch die Gründerzeit des 19ten Jahrhunderts geprägt war, machte einen düsteren und unheimlichen Eindruck. Roter Werkstoff (von Eisen bis Arsen, alles in wasserlöslicher Form enthalten) überall von den Akten bis in den Sanitärbereich. Bild 15 zeigt einen Blick aus meinem ersten Büro auf die Sinteranlage. Die Kollegen im Büro hatten ein Durchschnittsalter von  55 Jahren und wollten eigentlich nur noch in Rente gehen. Der Ton war rau und unfreundlich, man hatte ja schon schließlich einiges erlebt. Der Chef hatte den Namen „Opa“ weil er alles schon mal gemacht hatte. Man hatte nachgerechnet, dass er mindestens demnach 150 Jahre alt sein müsste. Als alter U-Bootfahrer und zuletzt im Stab von Dönitz, mussten wir uns täglich Dönekes von seinen Feindfahrten erzählen lassen. Bei Problemen in den Betrieben sprach er immer von „Alarmtauchen“. Wer in seinem Alter war, und nicht „mariniert“ war, war einfach ein Mensch 2. Klasse. Um ihn zu verstehen, habe ich mindestens einen Meter U-Bootfachliteratur gelesen…
Und so z.B. war der Alltag:
Eines Morgens stand ein Produktionsmitarbeiter aus der Nickelschmelze in einem Aluminiumanzug im Büro und beschwerte sich über die neuen Schaltschränke, deren Meßgeräte sich auflösen sollten. In der Tat hatten sich die Ziffernblätter abgelöst. Wir bestellten den Lieferanten ein, und führten ihn in den Betrieb. Er ließ sich auch vom Oberschmelzer nochmal das Problem erklären. Da sich das Problem nicht wegdiskutieren ließ, kam vom Lieferanten eine merkwürdige Frage:“Wie viele seid ihr eigentlich?“ „10 Leute pro Schicht“, sagte der Oberschmelzer grinsend. „Ich sag mal 19Uhr am Tor“, meinte der Unternehmer grinsend. Man hatte verstanden… Nach ein paar Tagen waren wir wieder in der Nickelschmelze und wollten weitere Maßnahmen in dieser Sache besprechen. Der Oberschmelzer kam sofort grinsend auf uns zu und sagte ungefragt, nachdem er sein Visier hochgeschoben hatte:“Das mit den Meßgeräten könnt ihr eigentlich vergessen – gucken wir so wie so nicht drauf“ Häh…,entfuhr es uns. Ja, die Bühnenschau im Goldenen Anker war super, sogar der Karl durfte auf der Bühne mitmachen --- lach. Nachdem er noch weitere Details erzählt hatte, sind wir wieder kopfschüttelnd in unser Büro gegangen.

Die Stichlochstopfmaschine …..
Zum Eisenabstich wird mit einer Sauerstofflanze ein Loch in den unteren Teil des Hochofens gebrannt, um Eisen und Schlacke abfließen zu lassen. Das entstandene Loch wird anschließend wieder mit einer Maschine mit Sand verpresst.. Die kanonenähnliche Maschine heißt unter Hüttenleuten „Stichlochstopfmaschine“. Da diese Maschine in der Nähe des glühenden Eisens hängt, müssen Hydraulikschläuche und die elektrischen Leitungen regelmäßig gewechselt werden. Diese Arbeiten wurden durch Fremdfirmen erledigt, die auch genau wussten, wann wieder so eine Arbeit anstand.
           Es war ein heißer Arbeitstag und wir saßen nachmittags schwitzend in unseren Arbeitsanzügen im Büro und hatten eigentlich keine Lust mehr zu arbeiten. Unser alkoholabhängiger Abteilungspostbote schlich mit der „Alibipost“ an jedem Schreibtisch vorbei auf der Suche nach trinkbarem in unseren unteren Schreibtischschubladen.  Es stand noch ein Vergabetermin mit der Montagefirma an, die die Maschine neu verdrahten sollte.  Der Fremdfirmenchef war mittlerweile eingetroffen und wollte verhandeln. So hingen wir so halb matt in unseren Bürostühlen, als der Postbote zum Unternehmer meinte: Jetzt ein Fass Bier zur Abteilungserheiterung  würde die schwierige Stimmung sicher bis zum Feierabend verbessern. Kein Problem scherzte der clevere Typ. Wir schicken ein Baufahrzeug zum Bierverlag und schmuggeln das Fass unter den Werkzeugkästen rein. Gesagt getan, das Fass stand auf dem Waschbecken im Büro und alle hatten schon mehrere Glas Bier intus , als der Postbote in Bierlaune meinte: „ Jetzt fehlen eigentlich nur noch ein paar heiße Frauen“ Der Unternehmer überlegte kurz und verschwand.  Eine halbe Stunde später standen grinsend mehrere Werkschutzleute im Türrahmen und suchten den Grund unserer Erheiterung. Das sofort gefundene Bier wurde natürlich unter Protest des Postboten direkt in das Waschbecken entleert. Die drei Liebesmädchen vor dem Werkstor hatten wohl verraten, wo ihr „Arbeitseinsatz“ sein sollte. Der Unternehmer hatte natürlich später seinen Auftrag erhalten. Alle hatten „dicht“ gehalten, und das einschließlich Werksschutz. Ein heute undenkbarer Zustand wurde in den 70ger Jahren mit Augenzwinkern abgehandelt.

Die Automatisierung meiner ersten Großanlage --Ein Drama in mehreren Etappen--
Über 150 Jahre war die Firma alt, als ich dort meine ersten Gehversuche als leitender Projektingenieur machen durfte. Das alte "Zinkwerk" sollte eine neue Zink-kalzinier-Anlage (Bild11) erhalten, und elektrisch voll automatisiert werden. Gefühlt so alt wie die Firma waren auch die Kollegen und Mitarbeiter. Der Ausbildungsstand des Personals war durch die 50er Jahre geprägt. 40 vorverdrahtet angelieferte Schaltschränke z.B. ließ man erst mal über Nacht im Regen stehen, weil gerade Feierabend war. Es war nicht 17Uhr, sondern 14Uhr, als man sich entschied, das Tagwerk zu beenden. Auch mit der neuen Technik tat man sich schwer. Meine neu eingeführten Steuerungsablaufpläne schmiss der Elektromeister erst mal in den Kabelgraben, mit dem Kommentar: "Pisspötte und Bratpfannen brauchen wir hier nicht" -- gemeint waren die Steuerungssymbole, die so ähnlich aussahen--. Sein unfähiges Handeln endete noch während der Aufbauphase mit einem Herzinfarkt. Mit einer Handvoll verbliebener junger Facharbeiter des Unternehmens und einiger Fremdfirmen, die im Großanlagenbau Erfahrungen hatten, gelang es mir, den Aufbau und die Inbetriebnahme, nach vielen üblichen Schwierigkeiten, erfolgreich zu beenden. Da ich die Anlage ja jetzt gut kannte, wurde mir die Steuerungstechnische Betreuung übertragen. Verfahrenstechnisch sah die Anlage so aus: Eintrag über Bänder; Reaktionstrommel; Nasswäscher; Elektrofilter; Gummiertes Gebläse, Kamin. Schwierigkeiten machte immer der Nasswäscher, der mit einer Kalkmilchstufe die Schwefelbestandteile binden sollte. Leider kam es in der Umwälzpumpe immer wieder zu Störungen durch Gipsbildung. Das Elektrofilter schaltete ab, weil dort im Kunststoffgehäuse die durch den Wasserdampf gebildete Gegenelektrode fehlte. Es kam am Kamin zu sichtbaren Umweltstörungen, die durch die Behörden bemängelt wurden. Nach kurzer Zeit wurde ich zum Betriebsleiter Dr. G. bestellt, der mir im Befehlston sagte: "Nehmen Sie die Abhängigkeit zwischen Pumpe und Filter raus, die stört den Betriebsablauf". Ich erklärte ihm, dass das eine nicht zu entfernende Sicherheitseinrichtung sei, die zu einem Brand des Elektrofilters und ggf der Anlage führen könne. Sie wollen wohl einen Persilschein haben, meinte er barsch. Ich schickte ihm einen vorformulierten Text, der auf die Gefahren aufmerksam machte, den er dann auch unterschrieben hatte. Ein halbes Jahr später kam ich am 2.Mai aus dem Kurzurlaub wieder an meinen Arbeitsplatz und sah in die grinsenden Gesichter meiner Mitarbeiter, da hat sich ein Drama abgespielt, mehr wollte man mir nicht sagen. Am Objekt angekommen sah ich, was geschehen war. Die Anlage war nur noch ein verkohlter Trümmerhaufen. Die dicken Kunststoffrohre, Elektrofilter, Bänder, alles geschmolzen und verbrannt. Zwei Feuerlöschboote und mehrere Feuerwehren hatten versuch, das Schlimmste zu verhindern. Der Betrieb wusste sofort, wer schuld war, betrug doch der Schaden viele Millionen DM. Ich sollte es sein, der eine Sicherheitseinrichtung unerlaubt entfernt hatte. Ein paar Tage später erschien in meinem Büro ein Agent der Gerling Versicherung, der meine Steuerungsunterlagen einsehen wollte. Er wollte sehen, wie das Elektrofilter abgesichert war. Nach dem ich ihm eine Kopie gemacht hatte, verschwand er wieder kommentarlos. Ein paar Tage später musste ich auf der Werkskonferenz erscheinen. Meinen Persilschein hatte ich vorsorglich mitgenommen, denn ich ahnte ja, worum es ging. Der Betriebsleiter Dr. G. war sehr entrüstet darüber, dass man seine Anlage, ohne sein Wissen, steuerungstechnisch gefährlich manipuliert hatte, was ja auch die Versicherung bestätigt hatte. Als dann der Ton rauher wurde, zog ich die schriftliche Anweisung des Betriebes aus der Tasche und reichte sie rum. Als ich darauf den Raum unbeschadet verlassen durfte, hörte ich beim Schließen der Tür eine wilde Schreierei. Die Anlage durfte ich danach mit Versicherungsgeldern wieder aufbauen. Dr. G. wurde in den Frühruhestand versetzt.

Dann das Ende 1978
Die Alteigentümer brauchten die Hütte nicht mehr und wollten sie so schnell wie möglich aus den Büchern haben. Man stellte ein paar Millionen zur Verfügung für Abfindungen und Renten, und zog die Manager zurück in die Mutterkonzerne. Die wertvollen, ausgesuchten Jungingenieure zwischen 30 und 40 nahm man auch noch gleich mit, was unter der Restbelegschaft, die weiter bleiben musste, Missgunst erzeugte. Da ich offensichtlich  auch zu diesem Personenkreis gehörte, eröffnete mir mein Direktor, ohne mich vorher zu fragen,  dass ich nächste Woche bei Höchst in Knappsack am Schreibtisch sitzen würde. Mein eigentlicher Lebensmittelpunkt war aber eigentlich Wuppertal und hier gab es Bayer und da wollte ich hin.
Leider hatte BAYER zu diesem Zeitpunkt einen absoluten Einstellungsstopp der meinen Firmenwechsel unmöglich gemacht hätte. Aber auf der letzten Aufsichtsratssitzung der Eigner bei der Kupferhütte, hat der Vorstandsvorsitzene der BAYER AG, Prof. Dr. Grünewald  meine Einstellungsbewilligung persönlich unterschrieben.
Der Kontakt zu den Bayerleuten im Werk war schnell geknüpft und ich durfte zum Vorstellungsgespräch nach Wuppertal kommen. Ein solches Vorstellungsgespräch hatte ich noch nicht mitgemacht. Einen ganzen Tag im Kreuzverhör mit 2 Abteilungsverantwortlichen mit Mittagessen im Gästerestaurant. Derweilen spielte sich bei der Kupferhütte Schlimmes ab. Die Entlassungen waren ausgesprochen und der sonst so überhebliche Betriebsrat musste den Mitarbeitern die Höhe der Abfindungen  in Einzelgesprächen erklären. In unserer Abteilung waren viele Leute schier verzweifelt. Ein Familienvater mit 10 Kindern hatte man der Personalabteilung zur Entlassung  zur Verfügung gestellt. In meinem Büro sprang ein Mitarbeiter auf den Schreibtisch und schrie mich an: "Warum gehen sie nicht". Dabei riss er sich das Hemd hoch und zeigte seine Krebsoperation mit den Worten: "Wer nimmt mich denn noch". Uns standen vor Schock die Tränen in den Augen.

 
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