Die Calor Emag war zu meiner Zeit ein Unternehmen mit 2500 Mitarbeitern.
Im Geschäftsfeld Mittelspannungsanlagen Reihe 10-30kv und
110kv Schutzgasanlagen habe ich meine ersten "Gehversuche" als
Entwicklungs-Ingenieur gemacht. Da ich meine Diplomarbeiten
sehr erfogreich im Bereich Konstruktion gemacht hatte, fühlte
ich mich hier richtig angesiedelt. Die Arbeitsergebnisse waren erfolgreich,
die Firma war zufrieden, und das Miteinander unter den Kollegen stimmte.
Im Sommer 1974 traf ich auf einen jungen Ingenieur der gerade die
Firma wechselte um zu einer Raffinerie zu gehen. Er behauptete:
" Geld kann man nur in Unternehmen verdienen, bei denen das Produkt durch
Rohre fließt". Nach einem halben Jahr habe ich dann auch die Firma
gewechselt...., um Geld zu verdienen.
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Mein 1. Patent, und wie es dazu kam:
Wenn Firmen mit ihren Produkten an ihre Grenzen stoßen wird getrickst und geschummelt. Man hatte bei einem neuen Hochspannungsschalter die Nennstromstärke verdoppelt, und wollte diesen Schalter nun in die serienmäßigen Schaltwagenfelder einbauen. Hierzu sollte aus einem Mix aus anderen Baureihen ein Prototyp erstellt werden, den man dann auf der Hannover Messe dem staunenden Publikum zeigen wollte. Mir wurde diese Aufgabe zugeteilt, jedoch wussten wir in der Abteilung alle, dass das eigentlich wegen der dann sehr hohen Einfahrkräfte durch die Verdoppelung der Kontakte nicht geht. Das bestätigte sich auch, als mir der Leiter der Versuchswerkstatt lachend das Ergebnis präsentierte. Es klappte nicht. Der Schaltwagen bog sich und rutschte nicht in die Kontakte. „Ach, lassen se mich mal machen“ , meinte Meister B.. „Zur Messe wird immer alles passend gemacht“. 3 Tage später wurde ich wieder in die Werkstatt bestellt, Tatsache, der Wagen flutschte nur so in die Zelle. Ich fuhr nach Hannover und durfte mir tagelang die Verwunderung der Fachleute anschauen. Keiner hatte etwas gemerkt, selbst unsere Verkäufer nicht, denen hatte man es erst gar nicht gesagt. Die heilenden Hände des Werkstattmeisters gab’s natürlich nicht, er hatte nur die Kontaktstifte um 1mm abgedreht, und schon waren die hohen Klemmkräfte dahin. Zurück in Ratingen ließ mir das Problem mit den Einfahrkräften keine Ruhe. Nach ein paar Tagen, ich saß mal wieder auf dem Klo, kam mir die Idee. Mit Einfahrrollen über ein Profil, dass müsste gehen (Bild). Was nun? In der Abteilung wurde der Umgang mit schützenswerten Ideen viel diskutiert. Nur nicht den Chef informieren, sonst will er mit an dem Patent beteiligt werden. Also rief ich unsere Patentabteilung an, und schrieb mich als Erfinder ein. Dann setzte ich mich wieder an meinen Arbeitsplatz und arbeitete seelenruhig weiter. Was dann kam,hatte ich erwartet, die Sache wurde in der Abteilung bekannt und viele meinten, sie hätten mir Ratschläge gegeben, um mit auf die Erfinderliste zu kommen. Auch meinem Chef musste ich das ausreden, denn der meinte, dass er immer mit auf der Anmeldung stehen würde. Ich habe später noch ein weiteres Patent bei der Calor Emag angemeldet, was aber dann wegen der vielen Einsprüche von der Firma nicht umgesetzt wurde. Auch mit anderen Firmen sollte ich noch 2 Patente anmelden, was ich dann wegen der damit verbundenen vielen Arbeit einfach gelassen habe.
Zu Bild 15…, kleine Schalterkunde
Einen 110 000 Volt Schalter kann man nicht, wie bei einem Schalter der Nachttischlampe, einfach an- und ausschalten, obwohl die elektrischen Vorgänge eigentlich gleich sind. Der gezeigte Schalter ist ein SF6 (Schwefelhexafluorid Schutzgasschalter), der für die damalige Zeit zur absoluten Spitzentechnologie der Welt zählte. Der Schalter war ein Lasttrennschalter, der 1000Ampere Nennstrom schalten konnte. Wer schon mal Freiluft Hochspannungsanlagen gesehen hat, erinnert sich sicher an die meterhohen Keramiksäulen mit gleicher Funktion. Gebraucht werden die kleinen SF6 Anlage für den Energiehunger der Innenstädte, die mehr und mehr mit Hochspannung versorgt werden wollen. Dieser Schaltertyp wird als „Nullpunktlöscher“ bezeichnet, der den Strom eigentlich nur ausschalten kann, wenn er eigentlich schon aus, ist nämlich im Nulldurchgang des Sinusverlaufs. Er müsste eigentlich Wiedereinschaltverhinderer heißen. Und da liegt auch das technische Problem. Wenn man den Schalter öffnet, bildet sich ein Lichtbogen mit einem Plasma, das elektrisch leitfähig ist und eine Rückzündung nach Verlassen des Nulldurchgangs ermöglicht. Man muss also beim Schaltvorgang das Plasma durch einen Schutzgasstrahl entfernen. Gasmenge und Schaltgeschwindigkeit spielen hier die entscheidende Rolle. Wenn das nicht gelingt ist ,nach dem 3.Nulldurchgang die eingebrachte Energie so groß, dass der Schalter explodiert. Aber das alles wurde vorher im Labor simuliert, so dass man Schaltgeschwindigkeit und Gasmenge ungefähr kannte. Eine andere Schwierigkeit waren die geringen Abstände im Gehäuse ,die mit normalen ingenieurmäßigen Berechnungsmethoden nicht ermittelt werden konnten. Und dann musste der Schalter auch noch 20 000 mal betätigt werden können. Das Ganze hört sich einfach an, auch vor dem Hintergrund, dass die Firma schon über Jahrzehnte mit dem Schalterbau Erfahrungen hatte, aber nur eben nicht auf der Spannungsebene, und mit diesem Schutzgas als Lichtbogenlöscher. Naja, der Schalter war konstruiert, dann gebaut und die Laborprüfungen begannen. Mal brachen die keramischen Antriebwellen, dann gab es Überschlagsprobleme, und anfangs funktionierte auch der Löschmechanismus nicht. Hilfreich waren die vielen gut ausgerüsteten Labors und die dort tätigen Fachingenieure mit ihren Ratschlägen, die ein ingenieurmäßiges Arbeiten ermöglichten. Was hier so leicht erzählt ist, war in Wirklichkeit viel Stress und harte Arbeit.